Leonardo da Vinci in Frankreich
In Italien hatte Leonardo da Vinci in allen Bereichen der Künste und der Wissenschaften geglänzt, daher lud François Ier ihn 1516 nach Amboise ein. Er verbrachte hier die drei letzten Jahre seines Lebens damit, Architekturprojekte zu planen und glanzvolle Fest für den König und dessen Hof zu gestalten.
Leonardo da Vinci wurde 1452 in der Toskana geboren, aber seine außergewöhnlichen Talente in Kunst und Wissenschaft hatten ihn dazu geführt, durch ganz Italien zu reisen. In Florenz, wo er Schüler des berühmten Malers und Bildhauers Andrea del Verrochio war, fiel er den Medici auf, die ihn 1482 nach Mailand schickten, wo er seine ersten wichtigen architektonischen Arbeiten für Herzog Ludovic Sforza ausführte.
Alles, was Leonardo unternimmt, gelingt ihm mit Genie. Er interessiert sich für Uhrwerke, Kräne und Städteplanung sowie Hydraulik, derweil er seine künstlerischen Arbeiten weiterverfolgt. In Mailand malt er das Abendmahl, wohl sein berühmtestes Wandgemälde.
"Frei, zu träumen, zu denken und zu arbeiten"
Er verfolgt seine Karriere weiter in Venedig, aber auch in Mantua, Rom und Bologna, wo er weiterhin malt, aber auch anatomische Studien und wissenschaftliche Experimente unternimmt. Die Mona Lisa, an der er zwischen 1503 und 1506 arbeitet, wird ihn nie mehr verlassen. Und als Leonardo, enttäuscht von den unerheblichen und bedeutungslosen Aufträgen, mit denen man ihn betraut, Rom verlässt, um in Frankreich sein Glück zu versuchen, lässt er sich mit der Mona Lisa im Herrensitz von Cloux in Amboise nieder. Heute heißt das Anwesen "Le Clos Lucé".
Die Absichten von François Ier sind sehr klar, als er das Genie aus Florenz in die Touraine einlädt. Als wahrer Mäzen will er ihm die Möglichkeit bieten, « frei zu träumen, zu denken und zu arbeiten », aber er ernennt ihn auch zum “Ersten Maler, Ersten Ingenieur und Ersten Architekten des Königs”: er gedenkt Feste zu organisieren, die ebenso grandios sein sollen wie die am Hof der Medici.
So wird Leonardo da Vinci “Meister der Unterhaltung” und organisiert als solcher die Empfangszeremonien des Hofes, der zu dieser Zeit einen nie dagewesenen Prunk entfaltet. Zu diesen Ereignissen erfindet er Automaten und atemberaubende Inzenierungen - wie etwa die Rekonstituierung der Schlacht bei Marignano mit 10 000 kostümierten Statisten, das Himmelsgewölbe mit allen Bewegungen der Sterne - oder auch prächtige Wasserspiele, die sein adliges Publikum in Entzückung versetzen.
Die letzten monumentalen Pläne Leonardo da Vincis
François Ier, fasziniert von Leonardo, den er "wie einen Vater" betrachtet, betraut ihn jedoch auch mit bedeutenderen Projekten. Endlich wird das Talent des Künstlers in den Bereichen Architektur und Ingenieurwissenschaften gewürdigt und genutzt: er plant den Bau eines neuen Palastes in Romorantin, zu dem die Umleitung eines Flusses nötig ist, zeichnet erste Entwürfe für einen Kanal zwischen Loire und Saône und denkt sich die berühmte doppelläufige Treppe von Chambord aus.
Drei Jahre nach seiner Ankunft im Loire-Tal entschlief Leonardo da Vinci, krank und geschwächt, am 2. Mai 1519 im Alter von 67 Jahren in Clos Lucé. Er wurde im Schloss von Amboise beigesetzt; seine Gebeine ruhen heute unter der Grabplatte in der Kapelle Saint-Hubert. Wenn er auch nur kurze Zeit in Frankreich geweilt hatte, so prägte Leonardo da Vinci doch die Geschichte des Tals der Loire und regt - fünf Jahrhunderte nach seinem Tod - Groß und Klein zum Träumen an.